Die Stadt Schwäbisch Gmünd will in Zukunft stichprobenartig kontrollieren, ob die Pflanzgebote in den Bebauungsplänen der Neubaugebiete befolgt werden. Naturschutzverbände wie der NABU und der BUND hatten dies viele Jahre gefordert - unter anderem auch im Arbeitskreis Naturschutz Ostwürttemberg (ANO), dem Dachverband der regionalen Naturschutzorganisationen. ANO-Sprecher und NABU-Vorstandsmitglied Walter Beck nahm Anfang Februar an der Pressekonferenz der Stadt teil. "Rems-Zeitung" und "Gmünder Tagespost" berichteten (Artikel unten zum Download).
Im Gespräch mit der "Gmünder Tagespost" kritisieren NABU-Vorsitzender Armin Dammenmiller und Vorstandsmitglied Walter Beck den hohen Flächenverbrauch für Neubau- und Gewerbegebiete in den Städten und Gemeinden des Ostalbkreises sowie die schleppende Umsetzung des Gesetzes zur Stärkung der Biodiversität in Baden-Württemberg.
Foto: NABU/Kathy Büscher
Die Intensivierung der Grünlandnutzung ist insbesondere im Ostalbkreis deutlich sichtbar. Sie bewirkt seit vielen Jahren einen schleichenden Schwund der Blumenwiesen, hat somit dramatische Auswirkungen auf die Insektenfauna und ist eine wesentliche Ursache des Insektensterbens. Durch die stark abnehmende Biomasse wird den im Offenland lebenden Vögeln die Nahrungsgrundlage entzogen, ihre Bestände gehen ebenfalls stark zurück. Der NABU Ostalb/Schwäbisch Gmünd hat gegenüber der Stuttgarter Zeitung auf die Dringlichkeit des Problems hingewiesen. Der folgende Bericht ist im Baden-Württemberg-Teil des Zeitungsverbundes Stuttgarter Zeitung / Stuttgarter Nachrichten erschienen und gibt einen sehr guten Überblick über das Thema.
Für den Schutz von Vögeln, Bienen, Lurchen und Fledermäusen haben Johanna Prietz und ihre Freundin Susann Geiger (beide elf Jahre alt) in ihrem Heimatort Degenfeld insgesamt 72 Euro gesammelt und an den NABU Schwäbisch Gmünd übergeben. Rebecca Groll, Leiterin der Jugendgruppe der Naturschutzorganisation und Walter Beck, NABU-Pressereferent, nahmen die Spende hocherfreut entgegen. Sie bedankten sich sehr im Namen der vielfach bedrohten Natur und versprachen, die beiden Mädchen genau darüber zu informieren, wie das Geld verwendet wird - in Frage kommen zum Beispiel Nistkästen oder Blumensamen für eine Wiese des NABU. Die Idee, für den NABU zu sammeln, sei ihr im Urlaub mit der Familie gekommen, erklärt Johanna, die wie Ihre Freundin das Scheffold-Gymnasium in Schwäbisch Gmünd besucht. Auf der Ostseeinsel Fehmarn hatte sie an einer Exkursion der Naturschützer in die reiche Vogelfauna der Insel teilgenommen. "Wir fanden es gut, dass sich die NABU-Leute um die Vögel und um die Natur kümmern", sagt sie. Eigentlich wollten die Mädchen an einem Osterstand selbstgebackene Muffins, Ostereier, Osterkerzen und Honig verkaufen. Weil das wegen Corona nicht möglich war, boten sie die Sachen mit einem selbst verfassten Flyer in der Nachbarschaft an. Den Erlös haben Sie jetzt in einem schön bemalten Umschlag übergeben. Vielen Dank an Johanna und Susann und an die Spenderinnen und Spender aus Degenfeld!
Schwäbisch Gmünd, 10. 02. 2021
Der NABU Schwäbisch Gmünd begrüßt es, dass in der Kommunalpolitik mehr und mehr der hohe Flächenverbrauch zum Thema gemacht wird. „Immer noch setzen Städte und Gemeinden auf Teufel komm raus auf Wachstum – auch im Ostalbkreis“, sagt Armin Dammenmiller, Kreisvorsitzender der Naturschutzorganisation. „Das hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun und geht auf Kosten der Zukunft unserer Kinder und Enkel.“
Der NABU bezieht sich damit auf wiederholte kontroverse Diskussionen im Gemeinderat und im Bauausschuss von Schwäbisch Gmünd über neue Baugebiete und Gewerbeansiedlungen wie Amazon sowie um den Wasserstofftechnologiepark Aspen. Dabei hatten Teile des Gmünder Gemeinderats die ehrgeizigen Wachstumspläne der Stadt kritisiert. Auch die Absicht der Gemeinde Mutlangen, ein neues Gewerbegebiet zu erschließen, löste eine Kontroverse aus. „Mutlangen ist ein Paradebeispiel, wie sich eine Gemeinde über Jahrzehnte in die Breite entwickelt hat, aber jetzt auf einmal feststellt, dass der Platz eng wird“, so Dammenmiller.
„Täglich gehen in Baden-Württemberg fast fünf Hektar überwiegend landwirtschaftlich genutzter Fläche verloren“, zitiert der NABU-Vorsitzende Zahlen des statistischen Landesamts. Aufs Jahr seien das 18 Quadratkilometer – so als würde jährlich die Fläche der Gemeinde Waldstetten betoniert. „Doch außer in Sonntagsreden setzt sich in den Kommunen und Landkreisen niemand mit diesem Problem auseinander.“
„Auf Kritik reagieren die Entscheidungsträger gereizt“
Auch im Ostalbkreis sei zu beobachten, dass Wiesen und Äcker abnehmen, die Bauern gezwungen seien, auf immer geringerer Fläche immer intensiver zu wirtschaften. „Dadurch wird die Versorgung mit regionalen Lebensmitteln erschwert und der Druck auf die naturnahen Flächen nimmt zu. Die Artenvielfalt bei Insekten, Pflanzen, Vögeln und anderen Organismen geht dramatisch zurück.“
Ackerboden sei schnell zerstört, brauche aber Jahrtausende, um sich neu zu bilden, gibt Dammenmiller zu bedenken. Schließlich verschlimmere die starke Flächenversiegelung auch die Folgen des Klimawandels und erschwere die Regeneration der Grundwasservorräte. „Trotzdem wird in der kommunalen Bauplanung so getan, als habe der Boden keinen Wert.“ Im Gegenteil: „Auf Kritik des Naturschutzes, der Landwirte oder aus den Gremien reagieren die Entscheidungsträger meist gereizt bis genervt.“
Obwohl es längst innovative Konzepte für kompakte und platzsparende Bauweisen gebe, sei bei Wohn- wie auch Gewerbegebieten der raumgreifende Neubau auf der grünen Wiese Standard, so der NABU-Vorsitzende. „Dabei wird mit dem Minimum an gesetzlichen Nachhaltigkeits- und Energiestandards gebaut.“ Dies sei umso ärgerlicher, als fast alle Gemeinden im Ortskern über ungenutzte Flächen verfügen. „Die Kommunen halten sich aber lieber ans vermeintlich Bewährte, weil sie fürchten, durch Auflagen die Investoren und Bauherren abzuschrecken.“ Der NABU-Chef erinnert an die Eröffnungssitzung des städtischen Klimarats mit dem renommierten Architekten Prof. Sobek aus Stuttgart im Herbst 2019, der im Beisein der Stadtspitze erkläret, dass moderne Neubaugebiete heute so umgesetzt werden können, dass sie in der Lage sind, einen Energieüberschuss zu liefern.
„Mit „Betonparagraf“ droht Rolle rückwärts“
Einen neuen Schub habe der Flächenverbrauch durch den §13b Baugesetzbuch erfahren, der eigentlich zum Jahreswechsel auslief, nun aber auf Betreiben von Bundesinnenminister Horst Seehofer unbefristet verlängert werden soll, so der Naturschützer. Der Paragraf ermöglicht das Bauen im Außenbereich ohne Umweltprüfung und Ausgleichsmaßnahmen sowie mit reduzierter Öffentlichkeitsbeteiligung.
„Im Ostalbkreis wird mittlerweile fast jedes Baugebiet nach 13b geplant“, sagt Dammenmiller. Das angebliche Ziel, günstigen Wohnraum zu schaffen, werde damit nicht erreicht: „Es entstehen praktisch ausschließlich freistehende Einfamilienhäuser, ohne ein Doppelhausbebauung zu zulassen, selbst wenn potenzielle Bauherren es wollen.“
Dammenmiller erinnerte daran, dass das Land Baden-Württemberg eigentlich schon seit Anfang des Jahrtausends das Ziel verfolgt, den zusätzlichen Flächenbedarf langfristig auf Null zu senken. „Davon sind wir noch weiter entfernt als gedacht“. Zwar habe sich der Flächenfraß seither tatsächlich etwas verlangsamt, doch drohe der „Betonparagraf“ 13b selbst diesen moderaten Erfolg zunichte zu machen.
Nachhaltiges Flächenmanagement gefordert
„Es ist klar, dass lokale Unternehmen und zukunftsträchtige Investitionen eine Chance bekommen müssen“, sagt der NABU-Vorsitzende, es sei aber an der Zeit für ein kommunales Flächenmanagement, mit dem die Minimierung der Flächenversiegelung „ernsthaft und methodisch verfolgt“ werden kann. „Wenn ein neues Gewerbegebiet wie der Technologiepark Aspen ausgewiesen werden soll, muss zuallererst geprüft werden, wie ungenutzte Gewerbebrachen einbezogen werden, davon stehen in Gmünd und Umgebung sehr viele zur Verfügung.“ Zum Ausgleich müsse den Baubedarf an anderer Stelle reduzieren und die bebauten Gebiete ökologisch aufwerten.